Le Gît’Âne
Alte Bäume, eine halbwilde Vegetation. Ein Hund, zwei schwarz-graue Schweine, die scheue Rosie und der gemütliche Max, ein Dutzend Hühner, Katzen und sogar ein Lamm, alle kommen neugierig auf mich zu, als ich mich heute Morgen dem Tor der Gît’Âne nähere, einem wunderschönen Backsteinanwesen aus dem Jahr 1850, dem ehemaligen Schloss von Sorel-en-Vimeu. Klarer und durchdringender aventuringrüner Blick, lockiges, nach hinten gebundenes Haar, jugendliches Lächeln, energisches Auftreten – Anne Carpentier, von Perle, einem weißen Schweizer Schäferhund, gewarnt, kommt, um mir das Tor zu öffnen. Ich folge ihr ins Haus, wo uns die Hündin Lola begrüßt. Zwei Katzen schlafen, eingekuschelt auf einer Decke. Wir setzen uns an einen hohen Tisch, gegenüber dem großen Kamin in der Schlossküche. Hier leben die Tiere frei auf dem 6.500 Quadratmeter großen Gelände, wo sie ein Dasein voller Unglück wieder in Ordnung bringen. Oscar, das Lamm, der jüngste Zugang, der noch mit der Flasche gefüttert wird, kam erst vor einem Monat im Alter von fünf Tagen dazu, was die Abwesenheit der sehr territorialen Esel erklärt, die derzeit auf eine Weide in Airaines, ein paar Kilometer entfernt, geschickt wurden.
Anne erklärt mir, dass die Tiere eine Mittlerfunktion bei den Kindern aus schwierigen Familienverhältnissen, die bei ihr wohnen, denn Anne ist nicht nur Gastgeberin einer Ferienunterkunft, sie ist auch Pflegemutter, Schutzengel für in Not geratene Tiere, aber auch Mutter und Großmutter. Daher wird sie stark beansprucht: Das Telefon klingelt häufig und Nachrichten ertönen regelmäßig auf ihrem Handy. Die Ferienunterkunft gibt es nun seit sechs Jahren, eine Tätigkeit, die von den Kindern Höflichkeit und das Einhalten bestimmter Regeln verlangt, wie z. B. leise zu sein, wenn es nötig ist – kurz gesagt, es bringt ihnen bei, in einer Gemeinschaft zu leben.
Es kratzt an der Tür – es ist Oscar. Er sucht Gesellschaft – und Streicheleinheiten –, dann legt er sich auf den Teppich neben den Hund, sein Kopf kippt nach hinten, seine Augen flackern und er schläft ein. Wir plaudern über dies und das, und Anne erzählt mir von ihrem Werdegang, von Pharma-Referentin über Krankenschwester bis hin zur Pflegemutter und Gastgeberin einer Ferienunterkunft. Der menschliche Kontakt ist der Schlüssel zu ihrem erfüllten Leben.
Gefolgt von einem Tross von Tieren, gehen wir hinaus, um das Ferienhaus zu besichtigen, das in einem Flügel des Herrenhauses untergebracht ist und gerade von einem Gast verlassen wurde, der seinen Aufenthalt verlängert hatte. Rosensträucher und Kletterpflanzen umrahmen idyllisch das Fenster und die Tür, die sich zum Erdgeschoss öffnet, einem gemütlichen Wohnraum mit voll ausgestatteter Küche. Der Raum ist so konzipiert, dass er Gemütlichkeit und Funktionalität miteinander verbindet. Ein kleines Schild mit der Aufschrift „Hier ist das Paradies“ lügt nicht, wie das Gästebuch bezeugt – ein Paradies, in dem man Gummistiefel Stilettos vorziehen sollte, um im Park rund um das Herrenhaus spazieren zu gehen. Wenn man das Naturleben liebt, kann ein Aufenthalt hier sicherlich nur eine beruhigende Wirkung haben. Nach einem Blick im ersten Stock, wo ein Bett mit romantischen Spitzenvorhängen den Gast erwartet, gehen wir zu einem gemütlich und stillvoll ausgestatten Zirkuswagen, wo Anne sich manchmal zurückzieht, der aber auf lange Sicht als Ferienwohnung genutzt werden soll; und ehrlich, wer würde nicht davon träumen, sich in solch einem charmanten, boho-vintage Nest zurückzuziehen?
Wir beschließen den Besuch mit dem eingezäunten Gemüsegarten in Permakultur, inmitten dieser grünen Oase. Drum herum wachsen Obstbäume, weiter weg steht eine Gans, von den anderen Tieren ausgesondert, weil sie die Hühner angriff, nebenan grasen Schafe auf dem Feld des Nachbarn; und überall umgibt uns eine nicht beherrschte, sondern geliebte Natur. Ich verabschiede mich von der gastfreundlichen Anne und fahre los unter dem Charme eines Ortes zum Wohlfühlen, der an einige bukolische Illustrationen alter Kinderbücher denken lässt.
La Gît’Âne
Anne Carpentier (Sie kann etwas Englisch und ein klein wenig Deutsch. Und wie sie sagt: Irgendwie schafft man es immer, sich zu verständigen.
1 rue de l’Église
80490 Sorel-en-Vimeu
Tel.: +33 6 24 73 37 13
Internet: https://www.airbnb.fr/rooms/21728758?source_impression_id=p3_1727378590_P3Haw6_ujrgtC4Jp

















