
Manessier und der Saint-Sépulcre




Die Kirche Saint-Sépulcre ist diskret, hält sich bedeckt; anders als die Stiftkirche Saint-Vulfran, die sich majestätisch im Herzen von Abbeville erhebt und schon von Weitem sichtbar ist, ob man über die Côte de la Justice oder die Route de Paris ankommt. Sie grüßt den Besucher auch nicht forsch wie die Kirche Saint-Gilles, die sich ohne Umschweife dem Betrachter darbietet. Nein, die Kirche des Saint-Sépulcre steht bescheiden auf einem Platz, im Herzen der Stadt, und doch abseits ihres Trubels. Sie erinnert mich an einen Igel, zusammengerollt, um sich vor der menschlichen Gewalt zu schützen, die sie 1940 beinahe vollständig zerstört hätte, als ihre Gewölbe und einige ihrer Mauern einstürzten und ihre im Ersten Weltkrieg zerstörten und 1924 restaurierten Glasfenster zertrümmert wurden. Der 1911 im 30 km entfernten Saint-Ouen geborene Manessier, der 1993 im weit entfernten Orléans starb, verbrachte acht prägende Jahre seiner Kindheit in Abbeville. Im Jahr 1912 erwarben seine Großeltern mütterlicherseits, Ovide und Céline Tellier, nämlich ein großes Anwesen in der Grande Rue de Thuison. Dort wohnte er mit Ihnen und seinen Eltern und erlebte den Ersten Weltkrieg in einer Atmosphäre, die er als paradiesisch beschreibt und von der er sagt: „Es war Krieg, und ich schäme mich, es zu sagen, aber ich habe außergewöhnliche Erinnerungen an Beleuchtungen, Brände, Feuerwerke, Geräusche und auch an ein Mysterium. Wir waren ständig in den Mooren, in der Natur.„* Diese Zeit löste vielleicht die Berufung zum Künstler in dem Mann aus, der im jugendlichen Alter von 13 Jahren sein erstes Aquarell in Le Crotoy schuf.
Manessier, der bereits in zahlreichen Kirchen in Frankreich und im Ausland Glasfenster gestaltet hatte, wurde 1982 von François Énaud, einem Inspektor der Denkmalpflege, gebeten, die Glasfenster der verwahrlosten Kirche des Heiligen Grabes neu zu gestalten. Der Maler hatte mit der Bescheidenheit des religiösen Gebäudes gemeinsam, dass er sich hinter sein Werk stellte, nicht aus übertriebener Demut, sondern weil das Werk „für sich spricht.“ Die Zurücksetzung des Künstlers äußerte sich darin, dass er sich in den Dienst des Gebäudes und seiner Umgebung stellte. Nicht er war es, der das Werk diktierte, sondern seine Sensibilität für den Ort, der für ihn eine Zeit symbolisierte, die vom Ersten Weltkrieg geprägt war, von der Abwesenheit des Vaters, der an die Front ging, vom Tod der Großmutter 1919, vom Krankenhausaufenthalt der Mutter in der Nähe der Kirche Saint-Sépulcre und vom Ende der Kindheit, als man ihn in ein Internat nach Amiens schickte. Und obwohl er als Kind Angst vor der Kirche mit ihrer Darstellung der Grablegung hatte, spendete ihm die Rückkehr dorthin als Erwachsener „Freude und Trost“. Von dort aus ließ er sich von seinem Glauben, seiner Inspiration, dem Ort und dem Licht leiten und schuf nach Hunderten von Skizzen und Notizen ein Meisterwerk, das nicht nur seine Unterschrift trägt, sondern auch die der Handwerker und Gesellen, die zu seiner Entstehung beitrugen und unten am Stabat-Mater-Fenster angebracht sind.
Angesichts der Grablegung, der die Kirche geweiht ist, lag für ihn nahe, als Thema der Kirchenfenster, die Passion Christi, der Tod und die Auferstehung – für ihn die Erlösung aus dem Nichts – zu wählen. Die Passion Christi, zum ersten Mal in seiner Matthäus-Passion dargestellt, begleitete Manessiers Werk bereits seit 1948. In der Kirche Saint-Sépulcre, machte er aus der Passion eine Zelebrierung des Lichts, das immer wieder aus den dunkelsten Momenten hervorbricht. Und dort, so nah den glücklichen Jahren seiner Kindheit und wo er am 5. August 1993 beerdigt wurde, beschloss er den Zyklus seines Lebens und seines Werkes.
* Manessier. Centre national des arts plastiques de Paris. Edité par Skira, 1992.
Weiterführende Lektüre: Manessier. Hymne à la lumière. Vitraux de l’église du Saint-Sépulcre d’Abbeville. Photographies : Éric Le Brun. Textes : Jean-François Cocquet et Pierre Dhainaut. Éditions invenit.
Église du Saint-Sépulcre
4 place du Saint-Sépulcre
80100 Abbeville
Tel.: +33 3 22 20 27 05
Gottesdienste: https://messes.info/lieu/80/abbeville/eglise
Winteröffnungszeiten
Montag bis Freitag: 9:30-12:30 Uhr
Samstag und Sonntag: Geschlossen
Sommeröffnungszeiten
Freitag: 9:30-13:00 Uhr, 14:00-18:00 Uhr
Samstag: 14:00-18:00 Uhr
Sonntag: 14:00-18:00 Uhr
Montag: Geschlossen
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Mittwoch: 9:30-13:00 Uhr, 14:00–-:00 Uhr
Donnerstag: 9:30-13:00 Uhr, 14:00-18:00 Uhr




